Sehnenentzündungen bzw. Sehnenscheiden-entzündungen kommen bei Schulkindern relativ häufig vor. „Einseitige Belastungen, beispielsweise des Handgelenks durch die Mausbewegung oder das Tippen am Computer, beim Klavier- oder Geigenspielen, können zu einer Sehnenscheidenentzündung führen. Gerade bei monotonen Bewegungsabläufen sollten Kinder deshalb immer wieder Pausen mit Lockerungsübungen einlegen“, rät Prof. Dr. Hans-Jürgen Nentwich, Vizepräsident des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ).
Pausen mit Lockerungsübungen hört sich für Kinder genauso grossartig an wie “spannendes Müllraustragen”, “Spaß mit Mathematik” oder “Counterstrike (non-violent edition)”. Ich rate Prof. Nentwich weniger zu arbeiten und mehr Zeit mit seinen Kindern zu verbringen. Nach einer Feldstudie kommt dann auch ein praxistauglicher Ratschlag relativ häufig vor.
Kinder.de bietet ähnlichen Sinn für angewandte Pädagogik. Zu finden sind unter den Rubriken Spiele-Tipps und Software-Tipps folgende Überschriften:
- Turbulente Schatzjagd in der Leseburg
- Spannende Jagd nach dem Zahlenteufel
- Hexen, Feiern, Englisch lernen!
Und mein Favorit:
- Ratespaß für kleine Schlauberger
Quelle:
- Kinderärzte im Netz: Monotone Bewegungen reizen Sehnen
- Kinder.de: Kategorie Tipps
Ich kenne übrigens schon die kommenden Schlagzeilen:
Ärzte warnen:
Selbst-Befriedigung doch gefährlich!
Nanu?
Der Ton in diesem Post hört sich für mich so an, als ob Kinder per se etwas gegen Lockerungsübungen, Rätsel, oder Mathematik hätten.
Hmm… ob da jemand seine eigenen Erfahrungen generalisiert?
Im Gegensatz dazu zeigen meine Erfahrungen – und nicht nur meine, dass Kinder (aller Altersklassen) sich gerne zu diversen Tätigkeiten motivieren lassen. Ihre Begeisterung, Zuverlässigkeit und Ausdauer hat dabei offensichtlich wesentlich mehr mit der jeweiligen Bezugsperson und *deren* Haltung zu tun, als mit der eigentlichen Tätigkeit.
Insofern machen die zitierten Ratschläge meines Erachtens durchaus Sinn. Einigen sogar.
Da fällt mir doch spontan eine Stelle aus “Keine Götter mehr. Das Ende der Erziehung” von Neil Postman ein. Auslöser war folgende Aussage von Diane Ravitch, Staatssekretärin im Erziehungsministerium der USA:
Diese Aussage verrate laut Postman
Das Problem des Ratschlags von Prof. Dr. Nentwich liegt meiner Meinung darin begründet, dass zu viele, für ein Kind sehr ansprechende Fremdreize, z.B. Computerspiele, von denen hier wohl hauptsächlich die Rede war, existieren. Im Einzelfall mag ein Kind natürlich die benötigte Eigenverantwortung mitbringen, dieses Spiel regelmässig zu unterbrechen, jedoch sind gerade diese Kinder meist in der Obhut von Eltern, die solche Ratschläge nicht brauchen. Für deren Eltern haben z.B. ein vernünftiger Umgang mit Computern oder ausreichende Bewegung so oder so schon Priorität in der Erziehung. Bei der eigentlichen Zielgruppe solcher Ratschläge, die Eltern, die einige Erziehungshinweise dringend nötig haben, wird es aber schon an der regelmässigen Durchführung mangels Beaufsichtigung scheitern.
Und das Hauptproblem, was ich in der Einstellung der Kinder.de-Seite bzw. der Pädagogik im Allgemeinen sehe, ist, dass versucht wird, durch Nachahmung der für Kinder interessanten Reize, also in diesem Falle in Form von (Computer-) Spielen, Lehrinhalte zu verpacken. Dummerweise werden gerade diese Spiele von Erwachsenen entworfen und haben daher schlechte Chancen gegen Spiele zu bestehen, die von Menschen entwickelt werden, die sich den Enthusiasmus und die Phantasie eines Kindes bewahrt haben.
(Aufgrund ausreichender Gegenargumente sehe ich ausnahmsweise von einer Zensur Ihres Beitrags ab, Herr Nandi)